Der eine schliesst ganz einfach die Augen, der andere schwört auf gute Musik, wieder andere haben ihre ganz persönlichen Rituale zur Hand, mit denen sie den Erfolg begünstigen wollen: Die Rede ist von Entspannungstechniken, mit denen die Pokerstars dieser Welt sich vor den entscheidenden Stunden am Spieltisch oder vor dem PC bei Online Spielen in die gewünschte mentale Verfassung bringen.
Natürlich gibt es eine Reihe von Grundregeln, die zu beachten sind. Dazu gehört schlicht und ergreifend, auf sich und seinen Körper zu hören: Finger weg vom Alkohol und auf keinen Fall pokern, wenn man müde, wütend oder aufgeregt ist. Immerhin benötigt man einen kühlen Kopf, um sich auf das Pokerspiel zu konzentrieren.
Wir haben uns bei den top Spielern in der Pokerwelt umgehört und sie nach ihren Tipps und Tricks bei der Entspannung vor einem wichtigen Spiel befragt. Herausgekommen sind dabei Empfehlungen, die auch jenseits von Casino und Pokertisch, zum Beispiel vor einem Gespräch mit dem Chef, Erfolg versprechen könnten.
Nicht hetzen, sondern ausruhen: Chris Moorman
Chris Moorman, Jahrgang 1985, ist in Sachen Turniereinnahmen mit über 14 Millionen Dollar der erfolgreichste Online Pokerspieler der Welt. Vor einer Poker-Session nimmt sich der aus dem ostenglischen Basildon stammende Poker-Profi gerne ein paar Stunden Zeit, um noch zu joggen und vor allem in Ruhe frühstücken zu können. Von einer Kneipentour am Vorabend rät er ab, ebenso davor, sich mit leerem Magen an den Spieltisch bzw. vor den PC zu setzen.
Augen schliessen und auf gute Gedanken kommen: Nicolau Villa-Lobos
Der brasilianische Pokerspieler Nicolau Villa-Lobos, der auch als werbewirksamer Botschafter für das Unternehmen 888poker fungiert, hat es bislang auf Turnier-Preisgelder von weit über einer Million US-Dollar gebracht. Bevor er online geht und sich seinen Gegnern stellt, geht er meist eine Runde surfen oder fährt mit dem Rad. Steht ein Poker-Marathon an, achtet er darauf, vorher gut zu essen. Unmittelbar vor dem Turnier versucht er vorherzusagen, was dabei geschehen wird. Und das funktioniert für ihn so: Augen schliessen und sich positive Szenarien vorstellen, die am Spieltisch geschehen werden. Er setzt also seine Fantasie ein und wünscht sich bestimmte Abläufe herbei. Was die Entspannung vor Poker-Turnieren angeht, hält Villa-Lobos Musik für eine gute Möglichkeit, um abzuschalten. Am liebsten hört er Rock 'n Roll – von den 1960er-Jahren bis heute.
Gut ausruhen, um sich fit zu fühlen: Dominik Nitsche
Für den 27-jährigen deutschen Pokerspieler – grösster bisheriger Erfolg: Sieger beim High Roller for One Drop der WSOP Europe 2017 – ist das Wichtigste vor einem Turnier, gut ausgeruht zu sein. Dazu eignet er sich einen guten Tagesrhythmus an. Seine Erkenntnis: Wer müde ist, macht mehr Fehler. Dadurch sinken natürlich die Gewinnchancen. Einen Geheimtipp für die Entspannung hat er zwar nicht gerade parat, rät aber jedem Spieler, einfach das zu tun, was er tun muss, um eine positive Einstellung zu bekommen.
Guter Schlaf und leckere Snacks: Kara Scott
Die kanadisch-britische Pokerspielerin Kara Scott hat mit Live-Poker bislang mehr als 650.000 US-Dollar verdient. Dabei schwört sie ebenfalls auf guten Schlaf vor dem Turnier. Damit der Blutzucker beim Spiel nicht zu niedrig ist, nimmt sich die in Alberta geborene Frau mit dem Spitznamen Great Scott gerne Snacks mit, die ihr helfen, konzentriert bei der Sache zu bleiben.
Um sich vor Poker-Turnieren in Las Vegas & Co. angemessen zu entspannen, macht sie sich erst einmal in aller Ruhe mit dem Casino vertraut, bevor es an das eigentliche Event geht. Ihr Ratschlag: Einen Tag vorher anreisen und ein Gefühl für die Räumlichkeiten bekommen, in denen man sich aufhält.
Langsam atmen, meditieren: Steven L. Heston
Von einer besonderen Entspannungstechnik schreibt Steven L. Heston in „Turnierstrategien für Einsteiger“, einem Buch, an dem er als Co-Autor mitgewirkt hat. Dabei geht es allerdings um Entspannung nicht vor, sondern während des Pokerspiels – und dies in einer ganz besonderen, heiklen Phase, nämlich vor einem All-In.
Heston, Mathematik-Professor an der US-amerikanischen Carnegie Mellon University, empfiehlt, sich eine bestimmte Stelle auf dem Tisch auszusuchen und dann erst einmal langsam bis 15 zu zählen. Erst danach solle man den Dealer betrachten und gut vernehmbar „All-In!“ von sich geben. Dann, so Heston, gleich wieder die besagte Stelle anstarren, dabei normal und langsam atmen, regelrecht meditieren über dem Punkt, sich komplett verlieren in diesem kleinen Teil des grünen Filzstoffes. Und das heisst: Nicht seufzen, nicht husten, nicht zucken. Om!